Lofthotel, Murg
Ausgangslage
1996 wurde in Murg die Spinnereifabrik geschlossen. Nach über 160 Jahren stellte der grösste Arbeitgeber in dem kleinen Dorf am Walensee seinen Betrieb ein. Doch heute leben die Fabrikräume wieder. Die Aufschrift «lofthotel» auf dem Turm des Areals verrät nur einen Teil dessen, was seit 2000 entstanden ist: grosszügige Loftwohnungen, Künstlerateliers, eine Eventhalle und ein Wellnessbereich. Im Erdgeschoss arbeiten Handwerker und andere Gewerbetreibende. Nicht weit davon befinden sich die beiden Restaurants Sagibeiz und Sagisteg direkt am Seeufer. Verantwortlich für die Neugestaltung der Produktions- und Lagerhallen sowie des gesamten Areals sind Dieter und Esther von Ziegler mit azireal. 2007 lernte Gian Haene die beiden Unternehmer kennen. Er gehört zu den ersten Künstlern, die in der alten Spinnerei ein Atelier hatten und in der Loft-Galerie ausstellten. Unter anderem fand dort eine umfangreiche Präsentation seiner Black Boxes statt.
Tief gefurcht
Die Bildobjekte gehören zur gleichen Werkphase wie das zwei Jahre zuvor gefertigte Bild für das Ospidal Val Müstair. Die Kreisform als Weiterentwicklung entspricht dem Inhalt, der nicht eine in sich geschlossene Erzählung ist, sondern unendliche Möglichkeiten von Assoziationen und Entdeckungen birgt. Zudem greift Gian Haene hier Leonardo da Vincis berühmte Zeichnung auf, die einen Mann mit ausgestreckten Armen in einem Kreis und einem Quadrat darstellt. Dieses geometrische Konzept des menschlichen Körpers, das eigentlich vom römischen Architekten Vitruv stammt, ist ein Symbol für Symmetrie, Schönheit und Körperbewusstsein. Mit dem runden Bildobjekt ist Gian Haene intensiv in sein Thema des Körpergefühls eingetaucht:
Auf der Fläche von zwei Metern Durchmesser arbeitete er noch expressiver und schnitzte tiefer in das Holz hinein als zuvor. Dies erforderte nicht nur viel Körperkraft, sondern auch eine Plattendicke von vier Zentimetern, damit sich das Holz nicht verziehen kann.
Die erdigen Farben, der Werkstoff Holz und die kraftvolle Bearbeitung der Oberfläche fügen sich in den Industrie-Charakter ein, der in der gesamten Raumgestaltung erhalten und betont wird. In diesem Kontext verweist das Werk auch auf das Rad als zentrales Element der industriellen Produktion. Dazu bildet die wilde Formensprache eine Gegenposition, indem sie sich der Deutung entzieht und eher archaische Bezüge und die Fantasie anregt.
Weit gerollt
Geblieben sind allerdings nicht Boxes, sondern Kreise: Seit 2009 gehören zwei kreisförmige Holzschnitte zum Verbindungsgang zwischen Hotel und Loftwohnungen. Locker lehnen die beiden runden Platten an der Wand, als wären sie durch den Raum gerollt und dort zum Stillstand gekommen. Und ganz ähnlich war es auch. Der Standort war nicht geplant, passt aber als Ort des Übergangs perfekt.
Zuvor war Ballast Variété in der Kunsthalle Luzern ausgestellt. Zu schwer zum Tragen, wurden die massiven MDF-Platten immer wieder gerollt – und so wurde auch deutlich, dass sie nicht an die Wand gehängt, sondern auf den Boden gehören. Als mobile Kunst am Bau können sie in unterschiedliche Positionen zueinandergestellt werden – überlagernd, sich berührend oder mit Distanz.